IT-Arbeitsmarkt-Analyse 2016: Entwickler/innen und Online-Marketing-Experten sind gefragt
17.05.2016 10:15 von Monika Beck
Zusammenfassung
Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist für IT-Spezialisten allgemein nach wie vor sehr günstig. Über 43.000 Stellen sind dem Branchenverband Bitkom zufolge nicht besetzt, die Agentur für Arbeit (der nicht alle Stellen gemeldet werden) zählte 2015 bei der letzten Erhebung 11.400 offene Stellen in ihrer Datenbank, ein Plus von 7% gegenüber dem Vorjahr. IT-Fachkräfte sind häufiger sozialversicherungspflichtig und unbefristet beschäftigt als der Durchschnitt der Beschäftigten, sie sind seltener arbeitslos und der Arbeitsmarkt für IT-Fachleute ist in Krisenzeiten stabiler. Insgesamt also ein attraktiver Arbeitsmarkt.
In unserer eigenen Analyse haben wir uns den Arbeitsmarkt für Internet-Fachkräfte näher angesehen, und hier sind, genau wie im Vorjahr, vor allem Online-Marketing-Spezialisten und Entwickler gefragt. In der Skillset-Analyse ergab sich bei den Begriffen aus dem Bereich Online Marketing gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 55%, in den anderen Bereichen von ca. 20%. Deutlich schwerer als die Marketing-Experten und die Entwickler haben es auf dem Arbeitsmarkt die Web Designer — und diese sollten Javascript können!
Ein grundsätzlicher Trend aus den Vorjahren hat sich weiter verstärkt: Eine solide Ausbildung ist wichtiger denn je, fast alle Stellenanzeigen setzen eine Ausbildung, viele ein Studium (»oder vergleichbare Kenntnisse«) und praktisch alle aktuelles Wissen voraus. Für Crashkurs- und Schmalspur-»Experten« gibt es keinen Arbeitsmarkt mehr.
Ergebnisse für »Job Roles« (Suche bundesweit, Suche nur im Titel der Stellenanzeigen)
Fachgebiet Web Business/Online Marketing
Im Bereich Web Business/Online Marketing sind die Ergebnisse wenig überraschend: Wer hier auf Stellensuche ist, sollte sich auf Profi-Niveau mit SEO/SEA, Projektmanagement und mit Google Analytics auskennen. Ohne Social Media geht hier inzwischen gar nichts mehr: »Social Media« ist der mit Abstand am häufigsten genannte Begriff in den Stellenanzeigen aus diesem Bereich überhaupt (mit einer Steigerung von 110% gegenüber dem Vorjahr).
SEO-Manager (oder eine ähnliche Bezeichnung) scheint sich als eigene Tätigkeitsbezeichnung (neben Online-Marketing-Manager o.ä.) zu etablieren; wer sich hier spezialisieren möchte, braucht selbstverständlich sehr gute Kenntnisse der einschlägigen SEO- und Web-Analyse-Tools/Tracker, außerdem so gut wie immer ein Studium (meist BWL) und sollte große Datenmengen analysieren und präsentieren können.
Skill Sets - Web Business Management, Online Marketing
Fachliche Anforderungen an Bewerber durch inhaltliche Analyse von Stellenangeboten
Job Role |
fast immer |
häufig geforderte Kompetenzen |
selten geforderte Kompetenzen |
---|---|---|---|
Online Marketing Manager/in Social Media Manager/in SEO-Manager/in |
Analyse-Tools, z.B. Google Analytics/Search Console Microsoft-Office-Anwendungen CMS Sehr gute Ausdrucksfähigkeit, Kommunikative Fähigkeiten Dt./Engl. fließend Studium und Berufserfahrung |
SEA SEO |
Google-Zertifizierungen Online-Shops/e-Commerce CRM Photoshop HTML/CSS A/B-Tests Tools zur Wettbewerbs-Analyse Kampagnen-Tools |
Fachgebiet Web Design
Was sollten Web-Designer/innen 2016 können? Die Frage ist rasch beantwortet: HTML. CSS. Javascript! Die Tendenz aus dem Jahr 2015 hat sich zementiert: In unserer Stichprobe fanden sich in diesem Jahr kaum mehr Stellenangebote für Webdesigner/innen, die keine Kenntnisse in Javascript voraussetzten. Und wo Javascript nicht vorausgesetzt wird, findet sich in der Regel ein kleiner Nachsatz: »Javascript-Kenntnisse wünschenswert«. Deutlicher könnte das Ergebnis kaum ausfallen.
Darüber hinaus lassen sich bei den Webdesign-Stellenangeboten zwei Stränge ausmachen. Zum einen ist die Grenze zu den Entwicklern fließend; mitunter werden umfangreiche Kenntnisse auch in PHP oder, seltener, in anderen Programmiersprachen erwartet (etwa in einem Drittel der Stichproben). Etwa ebenso häufig werden zusätzlich Kenntnisse aus dem Bereich Online Marketing, Konzeption und SEO erwartet, etwa Erstellen von Informationsarchitekturen, Conversion-Optimierung, SEA und Website-Analyse. Angehende Web-Designerinnen auf Jobsuche sollten also überlegen, ob (und wo) sie evtl. ihre Kernkompetenz sinnvoll ergänzen können.
Skill Sets - Web Design
Fachliche Anforderungen an Bewerber durch inhaltliche Analyse von Stellenangeboten
Job Role |
fast immer geforderte Kompetenzen |
häufig geforderte Kompetenzen |
selten geforderte Kompetenzen |
---|---|---|---|
Webdesigner/in |
HTML5, CSS JavaScript Adobe Creative Suite |
Responsive Design Kenntnisse aus dem Bereich Online Marketing (SEO, Conversion Optimierung, Web Analyse) Programmierkenntnisse, z. B. PHP |
jQuery CMS Prototyping, Protoyping-Software |
Fachgebiet Web Development
Bei den Web-Entwickler/innen führt selbstverständlich Javascript mit etwa 9.000 Nennungen die Liste der am häufigsten geforderten Kenntnisse an, mit weitem Abstand zu Java/Web, Python und auch PHP. Python weist allerdings nach unserer Analyse eine hohe Steigerungsrate auf, 47% gegenüber dem Vorjahr.
Auf dem Weg, sich als Standard zu etablieren, ist AngularJS (etwa 1.000 Nennungen, aber 88% mehr als im Vorjahr), ebenso Node.js (397 Nennungen, +77%). Eher zu den Verlierern gehört dagegen Rails (-15% für Ruby on Rails bei den Skillsets, bei insgesamt etwa 200 Nennungen).
Bei den Content-Management-Systemen dominiert Typo3 den deutschen Markt (974 Nennungen, gegenüber dem Vorjahr stabil) – noch. Wordpress holt seit Jahren auf (453 Nennungen, +25% von 2015 auf 2016) und hat Joomla und Drupal weit hinter sich gelassen.
Spürbar gestiegen ist auch das Interesse an NoSQL-Datenbanken (+55%).
Erfahrungen mit dem Versionierungssystem GIT (840 Nennungen, +44%) gehören heute ebenso zu den gefragten Kompetenzen für Webentwickler wie agile Vorgehensmodelle, hier v.a. Scrum (1545 Nennungen für »Scrum Web«, +19%) oder – der Shooting Star in diesem Bereich – DevOps (897 Nennungen, ein Plus von 164%).
Dass weiterhin eine hohe Nachfrage nach Entwicklern mobiler Apps besteht, wird wohl niemanden überraschen (z.B. 1915 Nennungen für »Android«, ein Plus von 22%).
Skillset Programmiersprachen
Skillset Datenbank-Technologien
Skillset Frameworks, Bibliotheken und CMS
Skillset Vorgehensmodelle
Sonstige Webtechnologien
Fachliche Anforderungen an Bewerber durch inhaltliche Analyse von Stellenangeboten
Job Role |
fast immer geforderte Kompetenzen |
häufig geforderte Kompetenzen |
selten geforderte Kompetenzen |
---|---|---|---|
Web-Programmierer/in / Web-Entwickler/in Web Developer |
JavaScript HTML/CSS JQuery und/oder Ajax PHP, MySQL |
Reponsive Design AngularJs Bootstrap Performance Optimierung Linux/Webserver CMS OOP |
Photoshop Symfony Continous Integration Python QM-Software redis XML itil |
Fachbereich Web Administration
Insgesamt stabil ist auch der Arbeitsmarkt im Bereich Web Administration, bei einigen Verschiebungen, z.B. bei den einzelnen Distributionen:
Skillset Webserver Administration
Allgemeine Anforderungen an Bewerber
Unsere qualitative Analyse der Stellenausschreibungen in den Online-Jobbörsen ergab, dass von Bewerbern überwiegend folgende allgemeine Einstellungsvoraussetzungen verlangt werden:
-
Sehr oft ein Studium, v. a. bei Marketing-Experten und im Projektmanagement. Bei Entwicklern und Designern wird in der Regel ein Studium, eine Aus- oder Weiterbildung im jeweiligen Fachgebiet »oder vergleichbare Kenntnisse« verlangt.
-
Fach- und Methodenkompetenz der aktuellen Technologien. Nachweis der Methodenkompetenz durch Zeugnisse, Zertifikate, Projekterfahrung oder Arbeitsproben.
-
Sehr gute Deutsch- und in der Regel auch Englischkenntnisse.
-
Häufig wird mehrjährige Berufserfahrung erwartet, interessanterweise am häufigsten bei den Social Media Managern.
-
Bei den sog. Softskills werden fast immer überdurchschnittliches Engagement, Kreativität, Teamfähigkeit, lösungsorientiertes und selbstständiges Arbeiten erwartet.
Diskussion
Seit Jahren spricht der Branchenverband Bitkom von über 40.000 fehlenden Fachkräften, ein Mangel, den v.a. die kleinen und mittleren Unternehmen zu spüren bekommen. Auch die Nachfrage nach IT-Freiberuflern ist hoch, wie die Projektbörse GULP berichtet.
Die Arbeitsmarktsituation für Internet-Experten ist also insgesamt weiterhin sehr gut; vor allem Start-Ups und kleinere Unternehmen leiden unter dem Fachkräftemangel, da sie in der Regel nicht so hohe Gehälter zahlen können wie Großunternehmen und die Aufwände und Kosten für die Mitarbeitersuche immer höher werden.
Die Kehrseite der Medaille: Die Anforderungen an das Know-how der Bewerber sind sehr hoch und steigen weiter. Neue Technologien und Prozessmodelle werden sehr schnell adaptiert, Bewerber mit veraltetem Know-how haben kaum eine Chance. Auch Quereinsteiger haben es zunehmend schwer. Vor allem größere Unternehmen erwarten häufig einen Hochschul- oder Fachhochschul-Abschluss.
Die Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik müsste auf diese Entwicklungen reagieren; Internet-Experten sind gefragt und werden es wohl weiterhin bleiben, zielführend wären Weiterbildungen mit einer Dauer von ca. 12 Monaten, in denen auch Quereinsteiger fundiert ausgebildet werden könnten. Mit Schmalspur-Aus- und Weiterbildungen ist niemandem geholfen: Nicht den Designer/innen mit »ein bisschen« HTML, nicht den Entwickler/innen mit Grundkenntnissen in PHP und nicht den Online-Marketing-Spezialisten mit einem Crashkurs in SEO. Leider werden genau diese tiefer gehenden Weiterbildungen eher selten finanziert, z. B. durch die Arbeitsagenturen.
Zum Schluss die Wahrheit über Stellenanzeigen: Wie Entwickler/innen wirklich an ihre Jobs kommen
Die Entwicklerplattform Stack Overflow hat über 50.000 Entwickler aus 173 Ländern zu den unterschiedlichsten Dingen befragt: Welche Technologien sie überwiegend einsetzen (Antwort: Javascript), welche Technologien sie am tiefsten verabscheuen (Visual Basic und, gleich an zweiter Stelle, Wordpress) und ob sie lieber Hunde oder Katzen mögen (Hunde, ausgenommen Entwickler in Deutschland, die bevorzugen Katzen). All dies ist unterhaltsam und größtenteils aufschlussreich, und es ist natürlich im Detail online nachzulesen. Ein Ergebnis allerdings sei hier eigens referiert, nämlich die Antwort auf die Frage »Wie hast du deinen Job gefunden?«
Die häufigste Anwort (25% in Deutschland, 28% in USA, 24% in Indien): »Durch Empfehlungen von Freunden«.
Das ist nun nicht gerade eine neue Erkenntnis, aber wir wollten sie nicht unterschlagen.
Es schadet also nicht, überhaupt nicht, wenn man nicht nur ordentlich programmieren kann, sondern auch ein wenig netzwerken!
PDF-Download:
Die Analyse können Sie hier zum Ausdruck downloaden.
Referenzen
Kategorien: Infos aus dem Verband
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