Tätigkeit als Influencer: Geschäft oder Privatvergnügen?
02.09.2019 10:00 von Michael Rohrlich
Ein Berufsbild, dass es vor einigen Jahren noch gar nicht gab, wird insbesondere unter Jugendlichen immer populärer. Die Rede ist von Influencern, also »Beeinflussern«. Diese tummeln sich vorwiegend in den sozialen Medien und verdienen ihr Geld dadurch, dass sie bestimmte Unternehmen oder Produktgruppen auspacken, testen oder einfach »nur« vorstellen. Je besser sie das tun und je mehr Leuten das gefällt, desto höher ist ihre Reichweite und desto höher ist auch der potenzielle Verdienst. Dabei geht dieser längst über eine Beteiligung an den Werbeeinnahmen auf Youtube, Instagram & Co. hinaus. Die reichweitenstärksten Influencer in ihren jeweiligen Gebieten erhalten nicht selten noch zusätzlich Werbe-Deals, bisweilen sogar mit »Medienbruch«, also beispielsweise im Fernsehen. Manche von Ihnen erhalten sogar die Chance, sich als Moderator, Sänger oder TV-Jury-Mitglied zu beweisen. Und Helden sind sie für ihre Follower ohnehin.
So launig eine Tätigkeit als Influencer auch wirken mag, selbstverständlich sind hierbei rechtliche Grenzen zu beachten, insbesondere das Wettbewerbsrecht. Zentrales Regelwerk ist hierbei das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (kurz: UWG).
Wie sehen die wettbewerbsrechtlichen Basics aus?
Wer Werbung macht, egal in welchem Medium, egal für welches Unternehmen oder Produkt, hat diese entsprechend zu kennzeichnen. Hierbei sind die Begriffe Schleichwerbung, Produktplatzierung und Produktbeistellung zu unterscheiden.
Unter Werbung wird jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs verstanden, die entweder gegen Entgelt oder einer ähnlichen Gegenleistung oder als Eigenwerbung gesendet wird, mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern. So definiert es die Vorschrift § 2 Abs. 2 Nr. 7 Rundfunkstaatsvertrag (RStV). Präzisiert wird diese zum Teil doch recht pauschal gehaltene Beschreibung durch zahlreiche Gerichtsentscheidungen. Spätestens seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12. September 2013 (Aktenzeichen: I ZR 208/12) muss von einem sehr weiten Anwendungsbereich von Werbung ausgegangen werden. Klassische, elektronische Werbeformen sind folglich:
- Newsletter
- Pressemitteilungen
- Bewertungsanfragen
- Befragungen zur Kundenzufriedenheit
- Produktempfehlungen von Dritten (durch sog. Tell-a-Friend-Funktion)
- Meinungsumfragen
- Autoresponder-E-Mails
- Textnachrichten in sozialen Netzwerken
Und auch die alljährliche Weihnachts-Mail stellt Werbung dar, jedenfalls wenn sich dort neben den Weihnachtsgrüßen auch noch Hinweise à la »Schauen Sie sich über die Feiertage doch mal unsere Frühjahrsangebote an« finden.
Außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung ist auch die mittelbare Absatzförderung als Werbung einzustufen, so der BGH. Daher werden von diesem Begriff etwa auch Imagewerbung oder Sponsoring erfasst.
Unter Schleichwerbung versteht man dagegen die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten von Unternehmen, wenn diese absichtlich zu Werbezwecken platziert, jedoch nicht als Werbung gekennzeichnet werden. Durch diese ungekennzeichnete Werbung kann die Allgemeinheit in die Irre geführt werden, daher ist sie nicht zulässig. Der Punkt »zu Werbezwecken beabsichtigt« ist insbesondere dann gegeben, wenn die Platzierung der Inhalte gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt. So gelten beispielsweise auch sog. Affiliate-Links als kennzeichnungspflichtige Werbung.
Sofern eine (Schleich-) Werbung allerdings aus dramaturgischen Gründen notwendig ist, beispielsweise im Rahmen der Handlung eines Films, wird sie als Produktbeistellung bezeichnet. Als solche ist sie grundsätzlich erlaubt, da hierbei das Platzieren eines bestimmten Produkt- oder Unternehmensnamens dem Fortgang der Handlung dient. Zudem erfolgt eine Produktbeistellung in aller Regel ohne Entgelt oder sonstige Gegenleistung.
Im Unterschied zur Produktbeistellung gibt es auch noch die sog. Produktplatzierung, die regelmäßig gegen Entgelt erfolgt. Sie findet sich zunehmend nicht nur in Kino- bzw. TV-Produktionen, sondern auch in Beiträgen auf Youtube, Instagram & Co. Produktplatzierungen sind grundsätzlich zulässig, sofern sie entsprechend gekennzeichnet werden (z.B. durch den Hinweis »unterstützt durch Produktplatzierungen«).
Wie sind Influencer denn nun einzustufen?
Im Hinblick auf die Tätigkeit von Influencern stellen sich regelmäßig die gleichen Fragen:
- Handeln sie privat oder überwiegend geschäftlich?
- Wann und wie müssen sie ihre Postings als Werbung kennzeichnen?
Mit dem vergleichsweise neuen Phänomen »Influencer« haben Rechtsprechung und letztlich auch Gesetzgebung kaum Erfahrung. Entsprechend unterschiedlich fallen die Bewertungen der Gerichte in Bezug auf die zentrale Problemstellung – Werbung oder nicht? Kennzeichnung – wann und wie? – nach wie vor sehr unterschiedlich aus. Das wird schnell klar, wenn man sich die Entscheidungen zu dieser Thematik näher betrachtet. Im Kern geht es hierbei immer um die Frage, ob eine Kennzeichnung als Werbung hätte erfolgen müssen. Das verlangen die zentralen Vorschriften in § 5a UWG, § 6 Telemediengesetz (TMG) sowie § 58 RStV. Liegen deren Voraussetzungen vor, muss das betreffende Posting so deutlich als Werbung gekennzeichnet werden, dass ein durchschnittlich informierter Nutzer des angesprochenen Verbraucherkreises den kommerziellen Zweck erkennen kann. Zweifel gehen hierbei stets zu Lasten der veröffentlichenden Person, also des Influencers.
Bei der Beantwortung dieser Frage gehen die Begründungen der Gerichte von einer in jedem Fall bestehenden Kennzeichnungspflicht über eine differenzierte Betrachtung jedes Einzelfalls bis hin zu einer regelmäßig nicht bestehenden Pflicht zur Werbekennzeichnung.
Das Landgericht (LG) München I hatte sich in einem »Cathy Hummels«-Urteil vom 29. April 2019 (Aktenzeichen: 4 HK O 14312/18) mit Postings der Ehefrau des Fußballstars Mats Hummels zu befassen, in denen sie die auf ihren Fotos getragene Kleidung mittels sog. Tags mit den Websites der jeweiligen Hersteller verknüpft hatte. Die entsprechenden Postings waren jedoch nicht als Werbung gekennzeichnet. Nach eigenen Angaben hatte sie dafür kein Entgelt oder sonstige Gegenleistung erhalten. Das Gericht schenkte ihr Glauben und bewertete ihren Social-Media-Account wie eine »virtuelle Frauenzeitschrift«. Es sei offensichtlich, so das Gericht, dass sie nicht mit all ihren zahlreichen Followern befreundet sein könne und ihr Account damit eindeutig kommerziell ausgerichtet sei. Somit seien die einzelnen Postings nicht als (unlautere) Werbung einzuordnen und folglich auch nicht als solche zu kennzeichnen. An dieser Argumentation erkennt man schon, dass a) die ganze Materie für die Gerichte noch neu ist und b) dass gerichtliche Entscheidungen auch nicht immer so hundertprozentig nachvollziehbar sind.
Das LG Berlin hatte mit Urteil vom 24. Mai 2018 (Aktenzeichen: 52 O 101/18) gegen die Influencerin »Vreni Frost« entschieden und sich für eine generelle Kennzeichnungspflicht ausgesprochen. Ein Influencer mit einer größeren Anzahl von Followern, der in seinen Postings u.a. auch Links auf Hersteller der erwähnten Produkte bzw. auf einschlägige Webshops einbindet, betreibe Werbung, so das Gericht. Das gelte selbst für die Fälle, in denen keine Gegenleistung geflossen sei. Das heißt: im Gegensatz zum LG München I gehen die Berliner Richter hier davon aus, dass solche werblichen Postings immer gekennzeichnet werden müssen. Das Kammergericht (KG) Berlin hat diesen Sachverhalt in zweiter Instanz durch Urteil vom 8. Januar 2019 (Aktenzeichen: 5 U 83/18) dann allerdings etwas differenzierter betrachtet. Hier argumentierten die Richter, es sei immer der konkrete Inhalt und die besonderen Umstände des jeweiligen einzelnen Postings zu bewerten. Übersetzt heißt das: Es kommt darauf an.
Auch das LG Karlsruhe sieht in puncto Influencer-Posts geschäftliches Verhalten und damit verbunden eine generelle Kennzeichnungspflicht als Werbung (»Pamela Reif«-Urteil vom 21. März 2019, Aktenzeichen: 13 O 38/18). Das gelte auch und gerade für das »Taggen« von Fotos mit Links auf die Sites der Hersteller der abgebildeten Produkte. Denn das Geschäftsmodell eines Influencers liege darin, vermeintlich private Inhalte mit kommerziellen zu vermischen. Hierdurch würde sowohl das beworbene Unternehmen sowie auch die eigene Person gefördert. Das sei aber für die oft jugendlichen, teilweise kindlichen Nutzer nicht offensichtlich. Eine Kennzeichnung als Werbung sei daher Pflicht.
Bei Lichte betrachtet liegt aktuell noch keine Entscheidung des BGH vor, auch eine einheitliche Auffassung der Gerichte ist nicht in Sicht. In Zweifelsfällen kann nur empfohlen werden, lieber eine Werbe-Kennzeichnung anzubringen. Angesichts des noch bestehenden »Flickenteppichs« der deutschen Rechtsprechung zum Thema Influencer ist die Rechtsunsicherheit einfach noch zu groß, als dass man hier Risiken eingehen sollte.
Wie muss Werbung denn kenntlich gemacht werden?
Wenn man die Frage, ob ein Posting als Werbung zu kategorisieren und daher auch entsprechend zu kennzeichnen ist, bejaht, ergibt sich gleich das nächste Problem. Wie soll denn eine vernünftige Kennzeichnung erfolgen, wenn — je nach gewähltem Medium — nur eingeschränkter Platz zur Verfügung steht? Bei Instagram oder Twitter ist es beispielsweise gar nicht so einfach, hier zählt jedes Zeichen.
In Anbetracht der bisherigen Rechtsprechung ist es generell eine gute Idee, die Werbe-Kennzeichnung in deutscher Sprache vorzunehmen, sofern man sich an ein vornehmlich deutschsprachiges Publikum richtet. Hinweise, wie »#ad« (KG Berlin, Beschluss vom 11. Oktober 2017, Aktenzeichen: 5 W 221/17) oder »sponsored by« (BGH, Urteil vom 6. Februar 2014, Aktenzeichen: I ZR 2/11), sollten in diesem Fall tabu sein. Auch wenn das vielleicht spießig sein mag, aber die Begriffe »Werbung« oder »Anzeige« sind im deutschsprachigen Raum immer noch das Mittel der Wahl.
Und selbst dann, wenn ein deutsches Gericht das Medium Internet und auch die sozialen Netzwerke etwas »gelassener« bewertet, sollte die Kennzeichnung der Werbung jedenfalls sehr deutlich erfolgen – und nicht etwa per Hashtag »#ad«, der aufgrund vieler anderer Hashtags in der Tag-Cloud schier untergeht (Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 8. Juni 2017, Aktenzeichen: 13 U 53/16). Denn auch hier gilt: Erfolgt zwar eine Kennzeichnung, diese aber nicht deutlich genug, geht das im Zweifel zu Lasten des Influencers.
Tipp:
Wenn man sich nicht sicher ist, ob das eigene Posting nun als Werbung gilt oder nicht, sollte im Zweifel lieber eine Kennzeichnung erfolgen. Je nach Medium und Gestaltung des konkreten Inhalts sollte also »Werbung«, »Anzeige« oder »unterstützt durch Produktplatzierung« zu Beginn der Postings eingebunden und hervorgehoben dargestellt werden. Bei Videoinhalten ist es ideal, wenn die Einblendung im Video selbst und zusätzlich auch noch zu Beginn der Beschreibung unterhalb des Videos erfolgt.
Weitere Details zum korrekten Umgang mit werblichen Inhalten und deren Kennzeichnung finden sich im kostenlosen Leitfaden der deutschen Medienanstalten.
Über Michael Rohrlich:
Michael Rohrlich ist Mitglied im WE-Expertenrat. Als Rechtsanwalt liegen seine Tätigkeitsschwerpunkte in den Bereichen Online-, IT- und Datenschutzrecht sowie E-Commerce. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit ist er regelmäßig als Fachautor für div. Print- und Online-Publikationen tätig. Weiterhin ist er Buchautor (z.B. »Recht für Webshop-Betreiber: Das umfassende Handbuch«) und Kursentwickler des WE-Curriculums zum Thema »Online-Recht — Rechtssichere Websites, Online-Shops und Onlinemarketing-Kampagnen«, welches Teil der WE-Zertifizierungen zum Digital Marketing Manager, Social Media Manager und Content Marketing Manager ist. Darüber hinaus konzipiert und präsentiert Michael Rohrlich Video-Trainings mit juristischen Inhalten für LinkedIn Learning / Microsoft (ehem. video2brain).
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Fotocredit: Bild von Gerd Altmann auf pixabay.com
Kategorien: Online-Recht, Expertenrat
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